Integrierte Sicht auf mehrere Sprachen

Gallmann, Peter/Siller-Runggaldier, Heide / Sitta, Horst: Sprachen im Vergleich: Deutsch-Italienisch-Ladinisch. Das Verb. 2008. Publikationsreihe des Ladinischen Pädagogischen Instituts; ISBN 978-88615-59-9

Nun ist der erste Teil einer breit angelegten Grammatik erschienen, die zum ersten Mal alle drei Landessprachen vergleichend beschreibt. Für die paritätische ladinische Schule, die auf Mehrsprachigkeit ausgelegt ist, reichen einzelsprachliche Grammatiken als didaktische Medien nicht aus, da sie den Blick jeweils nur auf eine Sprache freigeben und nicht die für die Mehrsprachigkeit förderlichen Vergleiche, Transpositions-, Variations- und Übersetzungsmöglichkeiten einschließen.

Eine Schule, deren Aufgabe es ist, eine möglichst ausgeglichene Kompetenz der gesamten Population in mehreren Sprachen sicherzustellen, muss bei den Lernenden während ihrer Schulkarriere auch ein entsprechendes Wissen über Sprachen, ihr System und ihren Gebrauch vermitteln. Eine vergleichende Grammatik erlaubt eine integrierte Sicht auf mehrere Sprachen, arbeitet das Gemeinsame und das Unterschiedliche heraus, fördert das Differenzbewusstsein.

Zwar handelt es sich hier noch nicht um eine Grammatik für Schülerinnen und Schüler - gedacht ist vor allem an Lehrpersonen - und für den konkreten Unterricht in der Schule muss sicher noch vieles vereinfacht werden. Aber dafür ist jetzt die Grundlage geschaffen.
Die erste Lieferung dieses breit angelegten Werkes befasst sich mit dem Verb, dem Kern des Satzes. Der Aufbau ist denkbar einfach: Neben Verbformen werden die Funktionen von Tempus und Modus, Aktiv und Passiv, die semantische Bestimmung durch Präfixe, Valenz usw. behandelt, wobei syntaktische Fragen, wie es bei der Beschreibung des Verbs nicht anders zu erwarten war, einen breiten Raum einnehmen. Eingerahmt von den deutschen (D) und italienischen (I) Formen, Redewendungen und Sätzen stehen die beiden ladinischen Varianten des Grödnerischen (G) und des Gadertalerischen (B), gelegentlich auch zusammengefasst als Ladinisch (L).

Textauszug aus dem Buch, S. 53

Die Autoren brauchen in Südtirol nicht weiter vorgestellt zu werden: die beiden Schweizer Grammatiker Sitta und Gallmann, Mitarbeiter an der Duden-Grammatik und durch intensive Lehrerfortbildung mit der Situation in Südtirol bestens vertraut, und die Grödner Romanistin Siller-Runggaldier, die den Lehrstuhl für Romanistik an der Universität Innsbruck innehat, bürgen für die Qualität des Werkes.

Nachdem das Projekt „Integrierte Sprachdidaktik“ – später „Gemeinsamer Sprachunterricht“ – in der Schule der deutschen Sprachgruppe eingeschlafen zu sein scheint, wäre dieses Werk wieder ein Anlass dazu, darüber nachzudenken, was die in unserer Schule unterrichteten Sprachen an Gemeinsamkeiten und Unterschieden aufweisen. Besonders für Deutsch- und Italienischlehrer/innen bietet das Buch eine Fülle von Ansätzen, über Sprache(n), ihr System und ihren Gebrauch zu reflektieren und zu diskutieren, vielleicht auch einmal das Ladinische als eine der Landessprachen ein wenig kennen zu lernen, was einige deutschsprachige Schulen ja schon als sinnvoll erkannt haben, denn sie bieten jetzt auch Ladinischunterricht an.

Franz Lanthaler

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