V.A.S.

Verehrterste Leserinnen und Leser!

 

Heute verrate ich Ihnen eines der bestgeschützten Geheimnisse der Republik: ich habe schulpflichtige Kinder!

Da staunen Sie, was? Und ich will Ihnen noch was verraten: meine Frau und ich verfolgen die Schulkarriere unserer Sprösslinge mit Argusaugen, und das seit Jahren. Das unnütze Klim-Blim mit Elternvertretung, Kuchen backen, Brote schmieren und so erledigt meine Frau, das ist Weibersache. Aber wenn's ans Eingemachte geht, dann trete ich auf die Bühne!

Wie neulich, als man meinem Sohn und Stammhalter Siegfried Disziplinverstöße vorwarf. Weil mein armer Junge die Lösungen zum Mathe-Test aus dem Schulnetzwerk hackte, hatte er doch glatt eine Eintragung von dieser Memme von Lehrer bekommen! Bewundern sollten sie ihn für so eine Leistung, statt ihm Betrug vorzuwerfen! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie aufgelöst mein Kleiner war, die Tränen standen ihm in den Augenwinkeln. Die Schularbeit war einfach ungerecht und viel zu schwierig für Jugendliche von heute. Aber Siegfriedchen weiß sich zu helfen, er hat schließlich in mir ein gutes Vorbild. Ich weiß, wie man solche Sachen hinbiegt, und eile, wie so oft schon, in die Schule. Der Direktor erblasst bereits, wenn er mich am Ende des Ganges sieht! Er versucht mir noch rasch durchs Sekretariat zu entschlüpfen. Aber er hat nicht mit der dicken, faulen Sekretärin gerechnet, die ihm im Wege steht. Vor den Toiletten stelle ich ihn. Zwei Stunden später habe ich ihn so weich geklopft, dass er den Ausschluss wegen wiederholter schwerer Disziplinverstöße in eine Zehn in Informatik umgewandelt hat. Ich bin stolz auf meinen Kleinen und auf mich! Wieder ist es mir gelungen, ihn vor dem System zu retten.

Das nenne ich Elternarbeit, die ihren Namen verdient!

Zur Projektvorstellung heute Abend darf dann wieder meine Gattin gehen. Sie soll ja auch das Gefühl haben, zur Erziehung beigetragen zu haben.

So lässt es sich leben – mit klugen Arrangements.

Als stolzer Schülervater grüßt Sie ergebenst

Ehrenfried Schullerer

satire