Nah und fern

 

Das Thema „Elternarbeit“ ist allzeit aktuell. Wohl schon seit es die Schule gibt, stehen die Institution „Schule“ und die Eltern in einer mehr oder minder intensiven und oft konfliktreichen Wechselwirkung. Die Intensität, die diese Interaktion zuweilen erreicht, zwingt uns zu immer neuer Reflexion. Zwei Aspekte ins Bewusstsein zu rücken, scheint mir wichtig und hilfreich: Wie kann man das Verhältnis zwischen Schule und Elternhaus beschreiben und was ist Elternarbeit eigentlich?

 

Zur ersten Frage: In gewisser Weise ist die Struktur, die die beiden genannten Seiten verbindet, widersprüchlich. Einerseits hat jeder in seinem Leben mit Schule zu tun, meist viele Jahre lang. Jeder hat also reichlich Erfahrung. Die Bildung wird von (fast) allen als von zentraler Wichtigkeit erkannt und entsprechend engagiert und interessiert zeigen sich Eltern.

 

Andererseits ist die Schule ein recht abgeschlossenes System, in das Außenstehende wenig Einsicht haben. Selbst bei bestem Willen ist es auch nicht möglich, die Komplexität zu erfassen. Es muss bei punktuellen Einblicken bleiben. So greift man häufig auf die eigenen Erfahrungen zurück, die oft Jahrzehnte zurück liegen, oder vertraut auf theoretische Modelle oder gar ideologische Ansätze. Dieser Widerspruch zwischen „nahe und doch fern“ zieht sich fort in vielen anderen Gesichtspunkten. So ist in einer Lesart das Erwachsenwerden vom Augenblick der Geburt an ein Sich-Ablösen von den Eltern. Kinder und Jugendliche wünschen in vielen Bereichen der Schule keine Eingriffe der Eltern – hier ist ihr Reich, ihre Domäne. Auf der anderen Seite lassen Eltern nicht gerne los. Die Schulzeit ist eine Zeit mangelnder elterlicher Kontrolle, könnten wir überspitzt sagen.

 

Zur zweiten Frage: Elternarbeit ist ein Sammelsurium aus Arbeit in den Gremien, Besuch von Schulveranstaltungen, Anstehen beim Elternsprechtag, Brötchen streichen, Kuchen backen, Entschuldigungen unterschreiben, Hausaufgaben betreuen, Lernerfolge überwachen, Maturaball besuchen, Elternabende beachten, Disziplinverstöße ahnden, eigene Kompetenzen anbieten, Erziehungsauftrag zuhause wahrnehmen, Tag der offenen Tür, Unterrichtshospitation, Fortbildung, individuelle Sprechstunden...

 

Kurzum, sie ist monströs - sie ist alles und nichts. Sie ist das, was sich jeder individuell zusammenreimt. Hier ist noch nicht einmal definiert, aus welcher Perspektive „Elternarbeit“ gesehen wird. Sind das alles Ansprüche der Eltern an sich selbst oder erwartet sich die Schule all dies von den Eltern? Beides scheint sich zu vermischen.

 

Es ist beinahe müßig, aus diesen Beobachtungen Konsequenzen ableiten zu wollen. Viele haben es schon versucht. Dennoch zwei Denkanstöße: Vielleicht könnte man sich landesweit auf eine Definition des Begriffes Eltern(mit)arbeit verständigen? Vielleicht schaffen wir es (seien „wir“ nun Eltern oder Lehrpersonen), Vertrauen in die jeweils andere Rolle zu setzen und im Anlassfall das Gespräch zu suchen.

 

Der richtige Mix aus Nähe und Distanz macht es aus, glaube ich.

Johannes Kofler, Chefredakteur

frei heraus

gesagt