Vom realen Lernen zum Lernen im Netz

eLearning als Herausforderung für ein anderes Lernen

 

Lernen im Netz ist auf dem Weg, zu einem bedeutenden Baustein in der Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedensten Berufssparten sowie in der Ausbildung an Schulen und Universitäten zu werden.

von Christian Laner

Nachdem vor ca. fünf Jahren der Hype vorbei war, wo diese Form des Lernens häufig als die Lösung schlechthin angesehen wurde und wo man dachte, damit enorme Kosten zu sparen, hat sich in den letzten Jahren ein gesundes Verhältnis zwischen Präsenzseminaren und eLearning entwickelt.

eLearning stellt heute eher eine begleitende Maßnahme zu Präsenzseminaren dar und kann in diesem Kontext eine große Bereicherung darstellen. Es wird auch als „blended learning“ bezeichnet. Es handelt sich um eine Mischung aus Präsenz- und Online-Seminar. Dieses Lernen bedeutet eine Umstellung für alle Beteiligten – für die Lernenden wie für die Lehrenden – sowie eine veränderte Sichtweise in Bezug auf die Lernvoraussetzungen, die Konzipierung einer Lernumgebung und die Aufbereitung der Lehr- und Lernmaterialien.

Aus einer qualitativen Sicht bedeutet das Lernen auf einer Lernplattform,

  • dass das eigene Lernen im Zentrum steht,
  • dass es kooperative Lernprozesse gibt,
  • dass der/die Lernende zusätzliche Kompetenzen erwirbt.

Der Umgang mit den digitalen Medien stellt heute für immer mehr Jugendliche eine Selbstverständlich-keit dar, für viele Lehrende jedoch nicht.

Learning ermöglicht, sich Informationen für das Lernen selbst zu organisieren, unabhängig von Zeit und Raum, selbst zu entscheiden, wann was gelernt wird, wobei auch mit anderen Mitlernenden der Aus-tausch über verschiedene Kommunikationskanäle möglich ist. Auf kooperativer Ebene können neue Lernprozesse entstehen.

Mathetik als Grundgedanke für eLearning

Der Begriff der Mathetik, der von Comenius stammt, ist für den Bereich des eLearnings bedeutsam, da er dem innovativen Potenzial dieses Lernens entspricht. Comenius versteht unter Mathetik die „Lern-kunst“. Er fordert, dass der Lernende sich selbst aktiv in den Lernprozess einbringt, alles hinterfragt und nur das glauben soll, was er geprüft hat. Die Lernenden übernehmen in diesem Verständnis eine größere Verantwortung für ihr Lernen. Konsequent ist, hierbei verstärkt von den Lernenden, deren Interessen, Neigungen und Notwendigkeiten auszugehen.

Es ist ein sehr spannender Ansatz für eLearning. Die Qualität für eLearning ist nicht gegeben, wenn nur Skripts zum Herunterladen verfügbar sind, die der Lernende durcharbeiten muss, um Prüfungsfragen zu beantworten. Dass diese Gefahr konkret besteht und auch groß ist, zeigt sich in verschiedenen eLearning-Angeboten auf sehr technisch orientierten Lernplattformen.

Die Kommunikationsformen ändern sich stark. Lernen erfolgt unter der Prämisse, dass der soziale Kontext neu definiert werden muss. Einige wesentliche Komponenten der Kommunikation wie Mimik, Gestik und Tonfall fallen weg.

Zusätzlich ist eine andere Darstellung der Inhalte erforderlich. In der klassischen Unterweisung erfolgen Lehren und Lernen mit Büchern, Skripten, natürlich auch mit Anschauungsmaterial und visuellen Angeboten; vielfach eignet man sich die Gedanken der anderen an.

Ansprüche an Lernplattformen

Für viele Menschen, die im Lehrberuf tätig sind, sind Begriffe wie Lernumgebung, Lernwelten, Lern-landschaften gängige Begriffe. Eine Lernumgebung im Netz darzustellen, die sich nicht darauf redu-ziert, einige Foren, Chats und Ablagemöglichkeiten zu bieten, ist jedoch eine große Herausforderung.

Will man Lernende in ihrer Entwicklung zum selbstständigen Lernen unterstützen – das sollte als wesentliches Ziel stets mit überlegt werden – so ist es unerlässlich, eine Lernplattform nach konstruktivistischen Grundsätzen zu entwickeln. Dies bedeutet, einerseits die vorhandenen Möglichkeiten auf der technischen Seite zu nutzen, andererseits die virtuelle Lernumgebung nach didaktischen oder mathetischen Szenarien zu konzipieren.

Dazu gehören:

  • die Einbindung der Lernenden und ihrer „Geschichten“;
  • die starke aktive Beteiligung der Lernenden;
  • die gemeinsame Entwicklung von Inhalten;
  • die Möglichkeit, Probleme aus mehreren Perspektiven zu betrachten;
  • die Nutzung von verschiedenen technologischen Zugängen, die vom Text über Animationen und Audio bis zum Video reichen;
  • ein gezieltes Arbeiten in kooperativer Form sowie die Lerngemeinschaft mit dem Lehrenden als Lernberater und -unterstützer.

Eine gut konstruierte Lernumgebung kann das gesamte Spektrum des lerntheoretischen Modells abdecken, wobei jedoch das gelenkte Lernen nur für die Anfangsphase relevant sein soll und unbedingt Strategien entwickelt werden müssen, um zu selbstgesteuertem, zugleich aber auch zu kooperativem Lernen zu gelangen – meines Erachtens zwei Grundvoraussetzungen für effektives und gelungenes eLearning.

Entscheidend ist, dass eine Lernumgebung als Lernplattform abgebildet und nicht allein unter dem technischen Aspekt betrachtet wird. Vielmehr muss ein didaktisch-methodisches Konzept in Verbindung mit der Technik zu neuen Möglichkeiten führen, die es in dieser Form bisher noch nicht gab. Hier liegen aber auch die Schwierigkeiten und die Herausforderungen, denen sich alle Beteiligten stellen müssen – zum Wohle der Lernenden, im positivsten Sinn.

Lernen und Lernplattform

Wir sollten uns dringend von der Illusion verabschieden, dass eine Lernplattform so einfach gebaut sein kann, dass man einsteigt und loslegen kann. Dies ist der Fall, wenn Lernen vor allem aus einer „Konsumhaltung“ heraus verstanden wird, das heißt, dass der Lernende Dokumente „herunterlädt“ und Prüfungsfragen beantwortet.

Lernen im Netz bedeutet jedoch erheblich mehr: Lernen muss ein Selbsterfahrungsprozess sein. Die Auseinandersetzung mit den in einer neuen Form vorbereiteten Inhalten muss sichtbar werden und darf sich nicht auf eine Diskussion in einem Forum reduzieren. Man muss sich dessen bewusst sein, dass Lernen über das Internet beziehungsweise in allen digitalen Formen neue Herausforderungen für die Lernenden bereithält. Dementsprechend muss eine Lernplattform auch gestaltet sein.

Der Lernende muss sich neben inhaltlichen Auseinandersetzungen noch weitere Kompetenzen aneignen, die für die Native-ITs – gemeint ist die Generation, die mit dem PC aufwächst – eine Selbstverständlichkeit darstellen. Dazu gehören einfache Kompetenzen im Bereich des Umgangs mit dem PC wie Text- und Bildverarbeitung, der Umgang mit dem Internet, neue Formen der Kommuni-kation sowie Lernen in der Gruppe, wo über das Internet kommuniziert, diskutiert und gemeinsame Dokumente entwickelt werden, und neue Formen der Interaktion. Nur in kleinen Schritten ist es mög-lich, sich eine entsprechend konzipierte Lernplattform zu erschließen. Dazu ist ein Lernverständnis notwendig, das Menschen zu einem eigenverantwortlichen, selbst-aktiven, auch handlungsorientierten Lernen führt.

Aufbereitung von Inhalten

In der traditionellen Unterweisung erfolgt das Vermitteln von Inhalten primär über das Gehör, unterstützt von Texten und methodischen Verfahren. Inhalte können auf einer Lernplattform auf mehreren Ebenen dargestellt und veranschaulicht werden.

Die neuen Technologien bieten Möglichkeiten, neben Texten vor allem auch die Visualisierung und die akustische Unterstützung zu berücksichtigen. Die Lernenden entscheiden selbst, wie sie sich die Inhalte aneignen, welche Aufbereitung sie bevorzugen. Für Anfänger ist es sinnvoll, sich in der Anfangsphase viele Informationen mit klaren Aufgabenstellungen zukommen zu lassen. Sie müssen sich noch zu sehr mit den technischen und den neuen didaktischen Aspekten auseinandersetzen. Zusätzlich sollten Lerninhalte bereits hypermedial aufbereitet werden, damit die Lernenden diese andere Art der Informationsgewinnung kennen und nutzen lernen.

Arbeiten mit hypermedial aufbereiteten Materialien setzt selbstständiges Lernen voraus. Zu viele Links können verwirren, zu wenige weisen eher auf eine lineare Struktur der Inhalte hin. Hypertexte können Lernende durch eine gute Sitemap, welche die Zusammenhänge in einer einfachen grafischen Form verständlich machen, unterstützen.

Verfolgt man das Ziel, die Teilnehmer/innen zu einem kooperativen, selbstgesteuerten Lernen zu führen, können kurze Grundaussagen oder Kernelemente der Thematik ausreichend sein. Wesentlich ist, dass diese so interessant für den Lernenden sind, dass sie zur Auseinandersetzung anregen und Diskussionen in Gang bringen. Die Lernenden finden die Wege, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen.

Je aktiver die Lernenden in solche Prozesse eingebunden sind, desto fruchtbringender werden auch die Diskussionen ausfallen. Damit verbunden sind intensive Lernprozesse, die zu kooperativem Lernen führen – eine Kompetenz, die Lehrkräfte, die dies in ihrer Ausbildung oder in der Fortbildung selbst erfahren durften, dann ohne größere Mühe an Kinder und Jugendliche mittels Lernbegleitung weiterzugeben imstande sind.

Der Zukunft entgegen

Lehren und Lernen wird sich künftig weitaus nachhaltiger verändern als bisher. Es ist die Aufgabe von Lehrenden bzw. aller, die im Unterricht und in der Ausbildung oder in beruflicher Fort- und Weiterbildung tätig sind, stets auch geeignete Formen der Lernbegleitung mitzudenken und sich dafür mit neuen Wegen des Lernens, die auch die digitale Welt mit einschließen, auseinander zu setzen. Hierfür bietet sich ein großes Potenzial an, das herkömmliche Vorträge und Vorlesungen stark erweitern kann. Dies gilt vor allem dann, wenn aktive Beteiligung und Interaktionen sowie Eigenverantwortung gefragt sind. Kommunikation und kooperatives Lernen über die eigene Gruppe hinaus gewinnen an Bedeutung und erweitern das eigene „Wissen“ erheblich.
Christian Laner ist Grundschul-lehrer und Mitarbeiter am Pädagogischen Institut Bozen mit den Schwerpunkten Kommunikations- und informationstechnologische Bildung und Unterrichtsentwicklung nach reformpädagogischen Konzepten
 

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