Wege der Prävention gegen den Rechtsextremismus

Teil 4: Fallen in der modernen Medienwelt und im Alltag erkennen

Schon seit einiger Zeit sind Jugendliche die wichtigste Zielgruppe für rechtsextreme Organisationen. Zur Verbreitung ihrer Ideologie von vorgestern benutzen sie auch modernste Technologie, mit der sie Jugendliche leicht erreichen können.

von Walter Pichler

 

Rechtsextreme Musik sowie menschenverachtende Spiele finden sich auf CDs und im Internet bzw. als Handy-Download, rechtsextreme Filmchen spielen auch auf Youtube. Wenn im Bereich der Schule rechtsextreme Symbole und rechtsextremes Gedankengut auftreten, muss die Schulgemeinschaft klare Grenzen ziehen.

Nicht immer ist Jugendlichen klar, dass sie sich in ihrer Alltagswelt auf rechtsextremem Terrain bewegen. Denn für Laien ist es mittlerweile schwer, Rechtsextremisten zu erkennen. Die Zeiten, wo alle Rechtsextremen Glatze und Springerstiefel trugen, sind vorbei. Auch die Symbole und Zahlen-codes, deren sich die rechte Szene bedient, sind vielseitig geworden.

 

Szenecodes und Symbole

Unter Rechtsextremen verbreitet sind Anleihen aus der germanischen Mythologie. Neben Kulthand-lungen wie Sonnwendfeiern haben die Runenzeichen Konjunktur und die germanische Götterwelt erfreut sich wachsender Beliebtheit, allen voran Thor als „reinigende Kraft für das deutsche Volk“ und Odin, der Göttervater. Kleidermarken wie LONDSDALE und CONSDAPLE sind populär, da sie die Buchstaben NSDA bzw. NSDAP enthalten. 1999 distanzierte sich Lonsdale vom rechtsextremen Kundenkreis und unterstützt nun antirassistische Kulturinitiativen.

Zum regelrechten Verwirrspiel wurde das Erkennen der rechten Szene, seit Teile von ihr auch linke Symbole und Codes wie das Palästinensertuch und das Konterfei von Ernesto „Che“ Guevara über-nommen haben. Die Palästinenser werden als „völkische Freiheitskämpfer“ und Antisemiten wahr-genommen, Guevara als Sinnbild für den „Befreiungskampf“.

Wie reagieren auf Provokationen?

Möglicherweise melden Schüler/innen bzw. erkennen Sie als Lehrperson oder Schulführungskraft, dass rechtsextreme Symbole und Codes auch an Ihrer Schule in Gebrauch sind. Es empfiehlt sich, diese Hinweise nicht zu ignorieren, auch wenn das scheinbar der einfachere Weg wäre. Wenn Sie den Schüler/die Schülerin kennen, der mit einem provokanten Symbol oder rechtsextremen Markenartikel an die Schule kommt, suchen Sie das Gespräch außerhalb des Unterrichts und versuchen Sie, die Motive und Gedanken zu ergründen. Danach können Sie das weitere Vorgehen besser planen.

Es ist zudem ratsam, mit dem Elternhaus Kontakt aufzunehmen und abzuklären, inwieweit ein gemeinsames pädagogisches Handeln möglich ist. Günstig ist es, sich mit anderen Lehrpersonen bzw. im gesamten Lehrerkollegium abzusprechen, um gemeinsame Vorgehensweisen der Schulgemein-schaft festzulegen.

Schimpfwörter, rechtes Sprach- und Gedankengut, ausländer- und fremdenfeindliche Äußerungen dürfen nicht unwidersprochen hingenommen werden. Die Schule muss hier eindeutig Gegenposition beziehen und auch die anderen Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam machen, wenn das Terrain demokratischen Denken und Handelns verlassen wird. Auch der Gesetzgeber hat mit dem so genannten Mancino-Gesetz aus dem Jahr 1993 Grenzen gezogen und verpflichtet die Schulgemein-schaft zum Handeln.

Pädagoginnen und Pädagogen sollten Schülerinnen und Schüler dafür gewinnen, sich ganz konkret auch im Alltag für die Demokratie und ihre Werte zu engagieren. Damit das gelingen kann, braucht es echte Handlungsperspektiven und Projekte, die den Schülerinnen und Schülern diese Erfahrungen ermöglichen. So kann Zivilcourage wachsen und positiv erfahren werden.

Der Extremismus der Mitte

Für Jugendliche ist es oftmals schwierig, rechtsextreme Äußerungen als solche zu erkennen, da sie ähnliche Aussagen und Botschaften bei anderen Jugendlichen, im Elternhaus, seitens einzelner Politiker oder auch im Freizeitverein hören, sodass ihnen das Problembewusstsein dafür fehlt. Das ist gemeint, wenn Experten feststellen, dass „der Extremismus die Mitte der Gesellschaft erreicht“ habe. So ist für manche Jugendliche die Schule vermutlich der wichtigste Ort, wo der Unterschied zwischen demokratischem und undemokratischem Denken und Handeln thematisiert wird.

 

Geschichte Südtirols als Paradebeispiel

Dasselbe gilt im Hinblick auf das Geschichtsbewusstsein der Jugendlichen, das – wenn es entfaltet ist – ein wirksamer Schutz gegen rechtsextreme Vereinnahmung sein kann. Charakteristisch für Jugend-liche, die sich an der rechtsextremen Szene orientieren, ist die Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Ihr Blick auf die Geschichte ist häufig sehr selektiv und blendet weite Teile aus. Das zeigt sich auch am Beispiel der Geschichte Südtirols im 20. Jahrhundert, wo mancherlei gerne „übersehen“ wird, z. B.:

  • das gute Verhältnis zwischen Hitler und Mussolini,
  • Hitlers „Opferung“ Südtirols für das Achsenbündnis,
  • das Drama der „Option“ und die Umsiedlung der Südtiroler,
  • die Auswirkungen der NS-Herrschaft auf Südtirol.

Neben der Behandlung dieser Themen im Unterricht bietet sich zur Vertiefung die Einladung eines Zeitzeugen in den Unterricht an. Wenn die Einladung gut vor- und nachbereitet wird, kann Jugend-lichen ein nachhaltiger Eindruck vermittelt werden, wie die Geschichte, besonders jene von Dikta-turen, sich auf die Lebensgeschichte der Menschen auswirken kann. Es kann auch aufgezeigt werden, dass der Nationalsozialismus ein politisches System ist, das Unmengen an Opfern produziert. Und vermutlich wären gerade jene Jugendlichen, die sich heute mit dem Nationalsozialismus identifizie-ren, gestern häufig zu Opfern des Systems geworden.

Walter Pichler ist Lehrer an der Lehranstant für Wirtschaft und Tourismus in Meran und Projektbegleiter für Geschichte und Politische Bildung am Pädagogischen Institut Bozen.

PRAXIS