
        
ff vom 03.02.2005
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zum Siegen
Sportförderung: Südtirols
einzige Ausbildungsstätte für Leistungssportler, die Sportoberschule
in
Mals, hat sich zur Kaderschmiede junger Wintersportler gemausert.
Porträt einer Institution.
Als der junge Mann im Zielauslauf sitzend
seine Kufenschleuder abbremste und die Zeittafel ins Visier nahm,
muss die Welt um ihn wohl kurz stehen geblieben sein. Sollte er,
Patrick Pigneter, der Spunt aus Völs, tatsächlich die
Bronzemedaille bei der diesjährigen Naturbahnrodel- Weltmeisterschaft
geholt haben? Er sollte. Denn mit einer Gesamtzeit von 3 Minuten
und 15,57 Sekunden müssen es die Schlernhexen höchstpersönlich
gewesen sein, die ihren jungen Landsmann vergangenes Wochenende
durch den Eiskanal von Latsch gepeitscht haben. Zufall ist der Platz
am Podest für den Völser jedenfalls keiner. Seit Jahren
schon arbeitet man an der Malser Sportoberschule am Rodeltalent.
Zwei Weltcupsiege und ein zweiter Platz bei der Junioren-WM in der
vergangenen Saison waren für Pigneter freilich aufregender
als ein Gut in der Rechtskunde- Schularbeit. Und jetzt das: Bronze
bei einer richtigen WM. Doch es ist gerade die Kombination von Schule
und Sport, die für den Viertklässler wie für weitere
121 Schüler an der Claudia-von- Medici-Sportoberschule in Mals
eine im sprichwörtlichen Sinne gewinnende Ausbildung darstellt.
In der Hauptsache sind es jetzt aber die Absolventen, die nunmehr
die Früchte einer zähen Ausbildung einfahren können.
Mit Nicole Gius und Manfred Mölgg etwa, zwei der Südtiroler
Hoffnungsträger bei der Ski-WM in Bormio, kämpfen ehemalige
Sportoberschüler um die Spitzenplätze. Oder im Langlauf:
Mit Thomas Moriggl sehen die Malser sogar ein neuer Langlauf- Stern
aufgehen. Die Hoffnungsträger sind zu Medaillenträgern
geworden. Seit dem Bestehen der Malser Sportlerschmiede haben 69
Athleten den Sprung in die italienische Nationalmannschaften der
Skifahrer, Snowboarder, Biathleten, Kunstbahnrodler, Naturbahnrodler
und Langläufer geschaftt. Also in jenen Disziplinen, die vor
Ort angeboten werden. Vorbild Stams. Zunächst wurde die Vinschger
Handelsoberschule, die vor rund zehn Jahren am Wintersportler-Nachwuchs
des Landes zu feilen begonnen hat, von Skeptikern und einzelnen
Auguren im Schulbereich freilich belächelt. Zu verwegen erschien
der Plan, es den Stamsern gleich tun zu wollen. Wie sollte sich
sportliches Training während der Schulstunden überhaupt
bewerkstelligen lassen, ohne dass nicht die schulische Leistung
darunter leiden würde? Den Spagat traute man allenfalls dem
legendären Skigymnasium im Tiroler Stams zu, dem Inbegriff
sportlicher Kaderschmiede schlechthin - aber auch nur deshalb, weil
dort ein Internat für die notwendige Disziplin und Aufsicht
garantierte. Stams war es auch, wohin der Ideator der Sportoberschule,
ihr erster Direktor, Max Bliem, gepilgert war, um sich das Erfolgsrezept
ins Aufgabenheft schreiben zu lassen. Geschnürt wurde das eigene
Projekt dann doch etwas leichter, musste es wohl auch. Zudem hatte
man jene Kasernenhof- Atmosphäre, die Nörgler der Stamser
Medaillenpräge gerne zuschreiben, dank der langjährigen
Heerespräsenz in Mals zur Genüge genossen. Man ging inspiriert
den eigenen Weg, nicht ohne sich die Schulpartnerschaft der Stamser
gesichert zu haben. "Sehen Sie sich doch unser Leitbild an",
meint man heute in der Direktion des mittlerweile institutionalisierten
Malser Experiments. "Unser Fundament ist ein duales Ausbildungsprogramm,
das ein koordiniertes und zielführendes Nebeneinander von Schule
und Sport gewährleistet", erklärt Direktor Josef
Hofer stolz. Duales Ausbildungsprogramm? Die Struktur der Schule
weicht insofern von der Regelschule ab, als dass man sich hier an
den notwendigen Trainings- und Wettkampfzeiten orientiert. Man weiß
nur zu gut auf was es ankommt, wenn man sich seriös auf die
Nachwuchsförderung einlassen will. "Reden wir dir doch
nicht lange herum, hier wird Leistungssport betrieben", klärt
der Direktor auf. Dementsprechend beschaffen sind die Stundenpläne
in der als Handelsoberschule einzustufenden Schulinstitution. "Dreimal
im Jahr wird der Plan gewechselt", sagt Gustav Tschenett, Koordinator
vor Ort. Einen solchen braucht es in der Tat. Nicht nur weil man
von September bis Ende November in den umliegenden Höhen trainiert,
von Dezember bis April die Schüler immer wieder zu den Rennen
schickt und von Mai bis Juni intensiv studiert. "Kurzfristig
müssen auch unvorhergesehene Trainingseinsätze mit den
Lehrern abgesprochen werden", so Tschenett. Es kann durchaus
vorkommen, dass Lehrer von einem Tag auf den anderen witterungsbedingt
eine geschrumpfte Klasse vorfinden, weil die Jungathleten schnell
zu Tests oder im ersten Schnee ihre Trainingsrunden zu ziehen haben.
"Ich habe eine Sandwichposition", versucht Tschenett einen
gastronomischen Vergleich seiner schwierigen Rolle an der Schule.
Zum einen muss er in seiner Organisationsarbeit die sportlichen
Bedürfnisse der Trainer und ihrer Schützlinge berücksichtigen,
zum anderen den schulischen Anforderungen der Lehrerschaft entsprechen.
Dass es da im Schulgebälk zuweilen knirscht, liegt in der Natur
der Sache. In Mals glaubt man dennoch eine ausgewogene Mischung
der unterschiedlichen Interessen gefunden zu haben. Eben mit jenem
"dualen Ausbildungsprogramm", das die Schüler zweigleisig
fahren lässt. Direktor Hofer setzt dabei insbesondere auf die
Kontinuität seines Lehrkörpers. Ein Großteil der
Lehrerschaft ist bereits seit der Gründung der unkonventionellen
Ausbildungsstätte dabei. Die Lehrerschaft, so Hofer, habe sich
mit den vorgegebenen Zielen identifiziert. So ganz unwidersprochen
stehen lassen will das Stefan Salcher im Atrium des neuen Schulpalastes
nicht. Der Drittklässler kommt gerade aus der unterirdischen
Folterkammer, sprich dem Krafttrainingsraum mit seinen möglichen
und unmöglichen Gerätschaften. "Manche Lehrer haben
sich scheint´s noch immer nicht daran gewöhnt, dass wir
in einer Sportschule sind und wir Schüler viel trainieren müssen."
Allerdings gilt das nur für eine Minderheit der Lehrerschaft.
Für Unmut sorgt da schon mehr der Umstand, dass man mit Beginn
des heurigen Schuljahres einen fixen Schularbeitenkalender eingeführt
hat. Für Patrick Zelger, einem der hoffnungsvollsten Skitalente
vor Ort, eine ungute Neuerung: "Wenn wir renn- oder trainingsbedingt
abwesend sind, bleiben wir unbewertet und werden für das ganze
erste Halbjahr nochmals rangenommen." Den Einwand lässt
man in der Direktion durchaus amüsiert gelten. "Die Sache
ist klar", sagt Koordinator Tschnett, "man will es gleich
locker haben wie bisher. So aber werden die Schüler schulisch
mehr gefordert. Und die Eltern sind dafür." Gefordert
indes ist der Nachwuchs so oder so. Zelger, Ski- Italienmeister
seiner Kategorie, ist gerade erst von einem zweimonatigen Einsatz
an der Trainings- und Rennfront in die "Zentrale" zurückgekehrt.
Und dort heißt es erst einmal büffeln. Mit einem vom
Interreg-Programm mitgetragenen Projekt namens "Virtuelles
Klassenzimmer" will man Jungsportlern wie ihm die schulischen
Lücken füllen helfen, wenn man sich fernab der Schule
aufhält. Vereinfacht handelt es sich beim "virtuellen
Klassenzimmer" um die digitale Aufbereitung des Unterrichtsstoffes.
Über eigene Laptops, die man den entschuldigten Abstinenzrekordlern
bereit stellt, muss jeder der älteren Schüler für
sich selbst den inhaltlichen Anschluss suchen. Bis 2006 soll der
ganze Wissensgrundstoff der Sportoberschule digital vorliegen -
mit entsprechenden Fragestellungen, Aufgaben und anderem mehr. Die
Aussicht, mal zwischen der einen oder anderen Pflichtübung
in der weiten Sportwelt abzuhängen, rückt damit nicht
minder weit in bedrohliche Ferne. Armin Gurschler, der angehende
Schnalser Skisportler aus der zweiten Klasse, der im vergangenen
Jahr eine von der Schule organisierte Amerikareise mitgemacht hat,
sieht seine Felle davon schwimmen: "Wenn das Ganze erst einmal
richtig klappt, wird die Sache für uns ganz schön anstrengend."
Tatsächlich ist der Besuch an der Sportoberschule kein Ding
von Leichtigkeit. An den fünf Schultagen pro Woche darf man
sich reiben, schließlich gilt es für die Schüler
nahezu einen Zehnstundentag zu absolvieren. Arbeiten für die
sportliche und berufliche Zukunft. Allfällige Bedenken, dass
an Südtirols sportlicher Kaderschmiede mitunter zuviel trainiert
werde, versuchen die Schuloberen zu zerstreuen. "Unsere 17
Trainer wissen sehr wohl zu dosieren, sie kennen ihre Pappenheimer",
kontert Roland Brenner, der koordinierende Trainer für die
Skidiziplinen an der Sportlerschmiede. Manchmal, so weiß der
ehemalige Co-Trainer von Alberto Tomba, gelte es sogar an unerwarteter
Stelle zu bremsen - manche Eltern würden gar einen Übereifer
an den Tag legen. Bei zugegebenermaßen sattem Trainingsprogramm
- 60 Prozent macht allein das Trockentraining aus - gilt es für
Brenner Umsicht walten zu lassen, will man den Nachwuchs nicht allzu
sehr auszehren. Trotz des harten Anforderungsprofils an die Claudia-von-Medici-Schüler
ist der alljährliche Zulauf ungebrochen. Und wird lediglich
vom Umstand gebremst, dass man vom Schulamt nur ein limitiertes
Trainerkontingent zur Verfügung gestellt bekommt. Immerhin
braucht man für die angehenden Sportasse bereits neun Kleinbusse.
Gäbe es keinen Förderverein, keine Sparkassenstiftung
und keine Vinschger Industriellen, die der Schule kräftig unter
die Arme greifen, man müsste die Trainingstätigkeit hier
wohl wieder neu erfinden. Fast wie ehedem.
Markus Larcher
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Profil
Die Sportoberschule Claudia von Medici in
Mals
Gründung: 1994 Schultyp: Handelsoberschule
Schulstruktur: Weicht von der Regelschule ab, weil sich an Training
und Wettkampfzeiten orientierend Duales Ausbildungsprogramm: Gewährleistung
eines Nebeneinander von Schule u. Sport Gebühren: Ca. 3.000
mit Heimplatz Sonderzuweisungen: 54.000 Euro für die Schule
Stipendien: ca. 40 zu max. 2.000 Euro Angebotene Disziplinen: Ski
alpin, Snowboard, Langlauf, Biathlon, Naturbahnrodeln, Kunstbahnrodeln
Schüleranzahl: 122 (derzeit) , davon ein Drittel Mädchen
Lehrer: 62 (insges.), davon unterrichten 20 ausschließlich
an der der Sportoberschule Trainer: 17 (mit Jahresauftrag) Aufnahmekriterien:
Tests in den angebotenen Disziplinen Virtuelles Klassenzimmer: Soll
Online-learning der Schüler während wettkampfbedingter
Absenz gewährleisten. Partnerschulen: Stams u. Green Mountain
Valley Scool, Vermont/USA Sportergebnisse: (Wintersaison 2003/04)
9 nationale Titel, etliche Landesmeistertitel u. internationale
Spitenplätze.
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