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Wirksamer Unterricht ....   zum anfang zurückblättern umblättern ans ende eine ebene nach oben
(Orientierung suchen - Ziele setzen - Schule gestalten, Seite 87ff)
 
Wirksamer Unterricht ist schülerzentriert und auf individuelle Lernerfahrungen hin angelegt.  

Schülerzentriert meint in erster Linie, dass bei der Planung und Gestaltung von Unterricht Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt aller Entscheidungen gerückt werden, dass es das Ziel des Unterrichts ist, für Schüler bedeutsames Lernen zu ermöglichen. Dies ist nur realisierbar in einem partnerschaftlichen Konzept von Unterricht, das die Lernenden in ihren Bedürfnissen ernst nimmt und ihnen in Wertschätzung verpflichtet ist.

Wir wissen, dass Lernprozesse dann erfolgreich verlaufen, wenn sie möglichst bruchlos an den Entwicklungs- und Wissensstand der Lernenden anschließen, ihre Neigungen, Interessen und bisherigen Erfahrungen mit einbeziehen und individuelle Lernwege, -zeiten und -rhythmen zulassen. Fehler, Umwege und verschiedene Lösungsmöglichkeiten müssen erlaubt sein. Die Forderung nach Individualisierung hat allerdings nichts mit Beliebigkeit zu tun; es soll weder einer Beliebigkeit in Bezug auf Inhalte und Ziele, noch einer beliebigen, unverbindlichen Anwendung von methodischen Verfahren das Wort geredet werden. Unterricht muss so angelegt sein, dass er den individuellen Lernprozess der Schülerinnen und Schüler möglichst fördert und die Voraussetzung für den Erwerb von intelligentem, anschlussfähigem Wissen schafft.

Noch wird der Auftrag, den individuellen Lernprozess zu fördern, von den einzelnen Schulstufen wohl unterschiedlich gewichtet und realisiert. Gelingt es dem Kindergarten und der Grundschule - auch aufgrund ihrer spezifischen Arbeitsformen - besser, auf kindliche Bedürfnisse und Voraussetzungen Rücksicht zu nehmen und unterschiedlichen Fähigkeiten und Lernwegen Rechnung zu tragen, so sind an der Oberstufe aufgrund der stärkeren Fächerorientierung noch nicht alle Möglichkeiten der Individualisierung ausgeschöpft. Für Jugendliche ist es aber genauso wichtig, Lernen als persönlich bedeutsam zu erfahren, Wissen selbstständig zu erarbeiten, Themen zu vertiefen, das Tempo selbst zu bestimmen und Inhalte auszuwählen und zu gewichten. Gerade für ältere und reifere Schülerinnen und Schüler ist es notwendig, auch im schulischen Bereich als selbstständig denkende und handelnde Menschen einen Raum zu finden, zumal sie außerhalb der Schule immer stärker als junge Erwachsene handeln. Es ist möglich und wünschenswert, dass sie in Eigenverantwortung Themen vertiefen und eigenständig bearbeiten, eigene Schwerpunkte setzen und auch Verantwortung für das Lernen von Mitschülern übernehmen.

Die neue Form der Abschlussprüfung in der Oberstufe stellt gerade die Art des selbstständigen, eigenverantworteten Lernens in den Mittelpunkt; es ist auch von daher notwendig, dass eine Veränderung der Lernpraxis in der Schule erfolgt.

Für alle Schulstufen gilt, dass die Forderung nach schülerzentriertem Unterricht und individuellen Lernerfahrungen ohne bestimmte Voraussetzungen nicht realisierbar ist. Es braucht im schulischen Alltag Freiräume, Möglichkeiten zur Teilung von Lerngruppen, Teamunterricht, geeignete räumliche und zeitliche Rahmenbedingungen. Gerade in Bezug auf die personellen Ressourcen müssen durch schulpolitische Entscheidungen Freiräume und Möglichkeiten geschaffen werden, individuelles, selbstgeplantes und selbstgestaltetes Lernen zu begleiten und zu fördern.

     
Wirksamer Unterricht ist auf vollständige Lernprozesse ausgerichtet.  

Untersuchungsergebnisse zeigen, dass in der alltäglichen Unterrichtspraxis nicht nur ein einziger methodischer oder didaktischer Weg zum gewünschten Ziel führt. Auch ist es nicht die soziale Organisationsform des Unterrichts an sich, die aktives, verstehendes Lernen garantiert. Entscheidend sind die individuelle geistige Aktivität und die individuelle kognitive Konstruktionsleistung der Lernenden. Insofern ist es notwendig, dass bei der Unterrichtsplanung nicht isolierte Entscheidungen im didaktischen oder methodischen Bereich getroffen werden, sondern Lernarrangements in ihrem Gesamtablauf in den Blick genommen werden.

Vollständige Lernprozesse gehen von Zielen aus, grenzen Problemstellungen und Aufgabenfelder ein, bieten Bearbeitungswege und Verfahren zur Überprüfung von Lösungen. Wenn der Rahmen eines Lernbereichs festgelegt ist, ergibt sich in der methodischen Vorgangsweise eine Reihe verschiedener Möglichkeiten, die in Bezug auf ein bestimmtes Ziel durchaus gleichwertig sein können. Offene Lernformen wie Freiarbeit und Projektarbeit werden zunehmend wichtigere Bausteine im Unterrichtsgeschehen bilden, ergänzen sich aber durch andere Formen wie Lehrervortrag, Unterrichtsgespräch, Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit zu einem Lehr- und Lernangebot, das in seiner Vielfalt den unterschiedlichsten Arbeitssituationen und den verschiedenen Bedürfnissen der Lernenden am ehesten gerecht werden kann.

Kriterium für die Auswahl der Arbeitsformen sollte deren Eignung zum Aufbau von Wissen und Fähigkeiten einerseits und zur Förderung der Lernkompetenz andererseits sein. Zielführend sind Lernarrangements, die einen hohen Anteil an Selbststeuerung zulassen, Zusammenarbeit ermöglichen und Rollenwechsel zwischen Lehrenden und Lernenden begünstigen. Mit zunehmendem Alter sollten die Schülerinnen und Schüler verstärkt über die Wahl der Arbeitsformen mitentscheiden können, zu Partnern bei Lernvereinbarungen werden, die sich auf verbindliche Leitvorstellungen im Einzelunterricht und auf Schulebene stützen.

Für alle Schulstufen gilt, dass abwechselnde und offene Lernangebote, vielfältige und altersgemäße Arbeitsformen und eine verstärkte Einbeziehung verschiedener, auch außerschulischer Lernorte sowohl das individuelle wie auch das kooperative Lernen begünstigen. Dabei verlangt die Gestaltung von offenen Lernumgebungen von den Lehrpersonen noch höhere Strukturierungsleistungen als die herkömmlichen Unterrichtsformen in der Klasse.

     
Wirksamer Unterricht nimmt Leistung und Leistungsbewertung ernst  

Solange Schule Berechtigungen vergibt, gehören Feststellung und Beurteilung von Leistung zu ihren Kernaufgaben. Wie bedeutsam diese Aufgabe einerseits für Lernende und Eltern ist und wie schwierig andererseits durch sich wandelnde Bedürfnisse und Vorstellungen, zeigt sich unter anderem auch daran, dass sich kein anderer Bereich des schulischen Lebens in den letzten Jahren so häufig immer wieder geänderten Bestimmungen und Vorgaben gegenüber sah.

Unabhängig von staatlichen Vorgaben und der gesellschaftlichen Forderung nach Beurteilung muss es aber auch im Interesse der Schule selbst liegen, dass Schülerinnen und Schüler erfahren und beurteilen lernen, was Qualität ist, welche Wege man gehen kann, um sie herzustellen und zu sichern. Schulische Arbeit ist auf allen Stufen dem Leitgedanken des Ermutigens und der Förderung verpflichtet; das impliziert aber durchaus, dass Kinder und Jugendliche ihre eigene Arbeit in Bezug auf objektive Kriterien einschätzen lernen und ein Gespür dafür entwickeln, welchen Anforderungen sie gewachsen sind.

Wichtig ist, dass im Unterricht deutlich zwischen Lern- und Leistungssituationen unterschieden wird. Unterricht hat in erster Linie das Lernen zum Ziel. Wenn sich die Formen des Lernens ändern und zunehmend offener und selbstbestimmter werden, müssen notwendigerweise auch neue Wege gefunden werden, um Kompetenzen und Fähigkeiten zu beschreiben, die sich über ein mit herkömmlichen Maßstäben messbares Fachwissen hinaus ergeben. Das gilt besonders für Schlüsselqualifikationen wie Eigenständigkeit, Teamfähigkeit, Arbeitsdisziplin, Konfliktfähigkeit, die in der traditionellen Bewertungspraxis oft wenig Platz finden. Es geht also um die schrittweise Entwicklung eines umfassenden Leistungsverständnisses, das Verhaltensweisen und Einstellungen genauso ernst nimmt wie Wissen. In der Praxis wird es also darum gehen, nach Ergebnis- und Darstellungsformen zu suchen, die einem komplexen Leistungsbegriff gerecht werden. So werden herkömmliche Prüfungssituationen weiterhin geeignet sein, Lernfortschritte zu dokumentieren und Aufschluss zu geben über den individuellen Stand im Lernprozess, wenn die Vorgaben den angestrebten Zielen angemessen, nachvollziehbar und differenziert sind. Darüber hinaus werden zunehmend sichtbare, konkrete Arbeitsprodukte unterschiedlichster Art, Ergebnisse von Arbeiten im Team, Präsentationen mit verschiedenem Öffentlichkeitsgrad, "Lerntagebücher", schulische und außerschulische Argumentationsanlässe u. dgl. zu wichtigen und gültigen Faktoren in der Leistungsbeurteilung werden. Es wird Aufgabe der Einzelschule sein, diese Elemente aufzunehmen, zu definieren und nach geeigneten Vermittlungsformen nach innen und außen zu suchen.

     
Wirksamer Unterricht strebt Selbstständigkeit an.  

Selbstständig kann nur werden, wer Gelegenheit erhält, selbst tätig zu sein. In Kindergarten und Grundschule ist das Lernen mit allen Sinnen schon stark verankert. Neben der Vermittlung tritt im Lernprozess stärker das Entdecken und Erleben in den Vordergrund. Das geschieht z. B. durch Werkstatt- und Wochenplanunterricht, durch die Gestaltung der Klassenräume als vielfältige Lernorte mit Lernstationen, durch die Einbindung von neuen Medien, die aktives und kreatives Arbeiten erlauben. Lebensnahe Lernformen und die Vermittlung von anwendungsbezogenem Wissen gewinnen aber auch an den höheren Schulstufen immer mehr an Bedeutung, weil sich nur damit die Forderungen nach Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit der Lernenden erfüllen lassen. Gerade in der Oberschule müssen die Möglichkeiten eigenständigen und selbstgesteuerten Lernens systematisch bedacht und verstärkt werden.

Ein Unterricht, der auf Selbstständigkeit und Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist, verändert zwar die Rolle der Lehrperson, nimmt ihr aber nichts von ihrer Bedeutung. Es bedarf vielfältiger pädagogischer und didaktischer Unterstützung, um die Fähigkeiten und Fertigkeiten aufzubauen und zu entwickeln, die die Voraussetzung für selbstständiges Lernen sind: unterschiedliche Angebote im Zugang zu Wissen, Methodenvielfalt als Unterrichtsprinzip, systematische und differenzierte Rückmeldungen über Lernschritte und Lernergebnisse, Zeit zum Nachdenken und Spielraum zum Entwickeln eigener Gedankengänge, Zeiten und Orte für selbstgesteuertes Lernen, Anerkennung unterschiedlicher Lerntempi und Lernwege.

Auch in diesem Bereich haben Lernberatung und individuelle Betreuung große Bedeutung, wenn die Kinder und Jugendlichen in ihren Ausdrucksformen ernst genommen und in ihrem Lernprozess positiv bestärkt werden.

     
Wirksamer Unterricht ist Teil eines pädagogischen Konzeptes auf Schulebene.  

Die Einsicht, dass eine Neuorientierung schulischen Lehrens und Lernens notwendig ist, wird durch das Gesetz zur Schulautonomie und den dadurch gegebenen rechtlich abgesicherten Freiraum für innovative Lernwege bestätigt und unterstützt. Dies bedeutet für die Einzelschule zugleich Chance und Verpflichtung.

Da die alte Lernordnung aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sowie neuer Anforderungen und Erwartungen nicht mehr trägt, muss die Einzelschule die pädagogische Arbeit neu denken und die gewonnenen Erkenntnisse auf die Unterrichtspraxis beziehen. Damit die pädagogisch-didaktische Arbeit im erweiterten Gestaltungsfreiraum der Einzelschule sich nicht in Beliebigkeit verliert, gilt es, in den einzelnen Lehrerkollegien, in den Schulgemeinschaften vor Ort einen Grundkonsens zu Fragen des Lernens, des Unterrichts und zu möglichen Neuorientierungen in der schulischen Arbeit zu finden und zu vereinbaren. Eine solche von den Mitgliedern einer Schulgemeinschaft - also von Lehrpersonen, Schülern und Eltern - getragene Vereinbarung über grundlegende Aspekte der schulischen Arbeit hat als Leitbild Orientierungsfunktion für das von der Einzelschule zu erstellende Schulprogramm, das für die Gestaltung und Ausprägung der täglichen Praxis, für die qualitative Weiterentwicklung von Lehren und Lernen eine entscheidende Rolle spielt. Die in einem Schulprogramm von der schulischen Lerngemeinschaft vereinbarten Aussagen, z. B. zu Methoden neuen Lehrens und Lernens und deren Verankerung in der schulischen Praxis, zu fächerübergreifendem Arbeiten, zum Verständnis von Leistung, zur Gestaltung des Schullebens, zu Formen der Aufarbeitung der schulischen Erfahrungen und Ergebnisse, schaffen Verbindlichkeit auf Schulebene, aber auch innerhalb von Klassenräten und Fachkollegien, verleihen der Einzelschule Profil und helfen bereits Erreichtes zu sichern.

     
Wirksamer Unterricht sichert die Kontinuität der pädagogischen Arbeit.  

Jede Schulstufe hat ihre dem Alter der Kinder und Jugendlichen angemessenen Schwerpunkte und Akzente, was Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit, Arbeitsformen, Leistungsverständnis, Leistungsbewertung und Komplexität der Dinge anbelangt.

Schulstufenübertritte setzen Kontinuität und Abstimmung zwischen den Schulstufen voraus. Dabei geht es nicht nur um eine Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die weiterführenden Schulen, sondern vor allem auch um eine Vergewisserung der Voraussetzungen, die Kinder und Jugendliche mitbringen. Nur wenn die Schüler dort abgeholt werden, wo sie stehen, können Übertritte möglichst glatt gestaltet werden. Die Verständigung zwischen den Schulstufen kann durch stufenübergreifende Lehrerfortbildung, durch geplante Begegnungen zwischen Schülerinnen und Schülern sowie zwischen Lehrpersonen verschiedener Schulstufen und durch aufeinander abgestimmte Lehrpläne erfolgen.

Zudem sollte das Gespräch zwischen allen Beteiligten und schulstufenübergreifend initiiert und intensiviert werden, wobei nicht nur die inhaltliche Abstimmung, sondern vermehrt Fähigkeiten und Persönlichkeitsbildung Themen sein müssen.

     
Wirksamer Unterricht ist integrativer Unterricht.  

Die Herausforderung, mit den unterschiedlichen Voraussetzungen zu arbeiten und zu leben, die Kinder und Jugendliche in ihrer geistigen, emotionalen und sozialen Entwicklung mitbringen, gab es in einer nach Jahrgangsklassen organisierten Schule schon immer. In einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft wird es noch wichtiger werden, mit Unterschieden leben zu lernen und diese Unterschiedlichkeit auch als Chance für das Lernen und die Entwicklung eines jeden Einzelnen erfahrbar werden zu lassen. Dabei muss Schule von einem erweiterten Begriff der Integration ausgehen und diesbezüglich die unterschiedlichsten Bedürfnisse einer Lerngemeinschaft im Auge haben. Eine Schule, die sich der Integration verpflichtet fühlt, entwickelt Erziehungskonzepte und Strategien für die Arbeit und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und unterschiedlicher Sprache, mit behinderten Menschen und Hochbegabten. Die Heterogenität einer Klasse wird nicht als Hindernis in der Erziehungs- und Bildungsarbeit gesehen, sondern als Normalsituation, und als solche mit ihren Chancen für das Lernen angenommen.

Kindergarten und Pflichtschule haben schon seit vielen Jahren Erfahrung gesammelt im Bereich der Integration von Kindern mit deutlichen Leistungsdefiziten in Teilbereichen, mit geistigem Entwicklungsrückstand und geistiger und körperlicher Behinderung. Zur Unterstützung der schulischen Integration stehen der Schule Integrationslehrerinnen und -lehrer sowie Behindertenbetreuerinnen und -betreuer zur Verfügung. Integrationsberatungs- und Lernberatungsstellen sind als Unterstützungssysteme auf- und ausgebaut worden. Die Verlängerung der Schul- und der Bildungspflicht hat zur Folge, dass Schülern mit besonderen Bedürfnissen auch in der Sekundarstufe das Recht auf Bildung und die entsprechende Förderung garantiert werden muss.

Die Sensibilität in der Wahrnehmung von vorhandenen Unterschieden in einer Lerngruppe, von Behinderungen, unterschiedlichen Lernbefähigungen und -bedürfnissen hat generell zugenommen. Wenn auch in den letzten zwanzig Jahren eine Zunahme der Integrationsmaßnahmen stattgefunden hat, so muss in Zukunft vor allem auf die qualitative Verbesserung der schulischen Integration Wert gelegt werden. ...

   

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000