Erzählung 1
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Schüler bearbeiten ein Interview mit dem Zeitzeugen Johann Trafoier aus Kortsch/Schlanders

 

Hans Trafoier wurde als Zehntes von 13 Kindern am 7. März 1921 in Kortsch geboren und ist in armen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er vorwiegend mit Arbeiten und Beten. Der kleine elterliche Hof und das Schneidereinkommen des Vaters reichten nicht aus, um alle zu versorgen und deshalb verdingte sich Hans schon sehr früh als Tagwerker bei örtlichen Bauern. Im Frühjahr 1938 gelang es ihm endlich, eine fixe Anstellung bei den italienischen Wegmachern zu finden. Ihm gefiel die Arbeit und er freute sich über das geregelte Einkommen (anfangs 1 Lire/Stunde, später 1 Lire und 20 Centesimi), mit dem er für zu Hause Luxusgüter wie Weißbrot, Zucker und Öl kaufen oder dem Vater Arbeitszeug besorgen konnte.  

Am 27. Mai 1942 wurde er  mit circa 20 weiteren Männern aus der Gemeinde Schlanders nach Meran ins Hotel „Bristol“ zur Musterung einberufen. Vor dem versammelten Musterungskomitee mussten sich die jungen Burschen ausziehen, um auf ihre Kriegstauglichkeit hin untersucht zu werden. Fast alle bestanden diese Prüfung. Danach begann das 4-monatige Warten auf die Einberufung zur Wehrmacht. In dieser Zeit fuhr Hans mit seinem Freund nach Maria Weißenstein, um zu beten.

 

 
 

Ab 5. Oktober 1942 lernte er mit seinen Kollegen in Innsbruck exerzieren- noch in Zivil. In Bludenz wurden ihnen die Grundregeln eines Wehrmachtssoldaten eingedrillt. In Moretz (Frankreich), im Dezember, wurde Hans zum Granatenwerfer  ausgebildet. Wegen einer Blutvergiftung verbrachte er die ersten 2 Wochen im Krankenhaus von Besancon. Hans kam im April 1943 nach Bad Reichenhall und wurde, nach 14 Tagen Heimaturlaub, von dort aus schon bald nach Russland an die Front versetzt. Die Deutschen mussten schwere Niederlagen einstecken, ehe sie sich zum Rückzug entschieden. Viele deutsche Soldaten verloren damals ihr Leben.

Im Oktober 1943 holte sich Hans die Malaria und wurde von einem Transporter zum Hauptverbandsplatz gebracht, nach Vinizza verlegt und mit einem Zug nach Prag gefahren. Auf dem Wege der Besserung wurde Hans nach Hause geschickt und zu Weihnachten musste er wieder nach Südrumänien ausrücken. Zwischen September 1944 und März 1945 wurde er mehrmals von Granatsplittern verletzt und nach kurzen Behandlungen wieder zurück an die Front geschickt. Nach einer erneuten Niederlage flüchtete er vor dem Feind zurück an die österreichisch-tschechische Grenze. Niemand wusste jedoch, wie es weiter gehen sollte, die Kommandeure waren im Krieg gefallen.

 So wollten Hans und ein Sudetendeutscher ins Sudetenland, wurden aber in Tschechien von zwei Feldgendarmen festgenommen und ins Gefängnis von Teschen gebracht und zum Tode verurteilt. Hans wurde dann von der Roten Armee gerettet, als der Krieg aus zu sein schien.  

 

 
 

Nach dem Krieg strömten viele Richtung Vaterland und auf dem Weg dorthin wurden sie von den Tschechen verhaftet und an die Russen übergeben, so auch Hans. Auf dem Weg nach Russland stationierten sie in Auschwitz, wo Hitler Unschuldige vergast und misshandelt hatte und wo es an Essen und Medikamenten mangelte. Viele erkrankten und manchmal kamen Züge um die  Gefangenen in ein anderes Lager zu bringen. Hans wurde mit dem Zug über Leningrad bis nach Murmansk gebracht. In Murmansk wurden die Gefangenen dann in 2 Arbeitslager eingeteilt: die Spezialisten und die Ungelernten, wie Hans Trafoier.

 Das Leben dort war anstrengend, auch deshalb, da im Winter bis zu -50° Kälte waren. Zum Essen bekamen sie fast nichts und durch kleine Stehlereien erhielten sie sich am Leben. Einmal in Monat kam ein Arzt, der Hans in ein Spital, das sich außerhalb des Lagers befand, einlieferte. Von Schwächeanfällen geplagt und von Krankheiten heimgesucht, ließ man ihn mit einem Zug  in seine Heimat Tirol fahren. Die Fahrt nach Hause dauerte 3 Monate. In Frankfurt hielt der Zug und Hans wurde zur Arbeit in ein Sägewerk zugeteilt. Da er aber schon am ersten Arbeitstag einen epileptischen Anfall bekam, brachte man Hans wieder auf den Zug zurück.

Die nächste Station war in Südrumänien, wo die Gefangenen auf den Abschub in die Heimat warteten. Hans und andere kamen  im Jahre 1946 nach Wien und dort bekamen sie einen Festschmaus, dann konnte Hans nach Innsbruck weiterfahren. In Innsbruck besuchte Hans seine Schwester und dessen Mann brachte Hans bis zum Brenner und kaufte ihm dort eine Fahrkarte nach Bozen. Als er in Bozen ankam, verbrachte er dort die Nacht und fuhr am nächsten Tag, den 7. Oktober 1946 zurück nach Schlanders. Zu Hause wurde er freudig empfangen. In seinen Gedanken war Hans jedoch immer noch im Krieg und in Gefangenschaft.  Er brauchte lange Zeit, um die schlimmen Erinnerungen zu vergessen.