LaSIS   Neue Medien:
mehr Lernqualität
         
  zum forum zur galerie zur übersicht  
infos zum arbeitsbereich infothek  
blikk schulentwicklung        
   
Die Evolution Neuer Medien
  zum anfang zurückblättern umblättern ans ende eine ebene nach oben
   

 

Vielfalt und Differenzierung
 

Wird heute ganz allgemein von den 'Medien' gesprochen, dann sind zuerst die Print-, Ton- und Hörmedien sowie die Bild- und Sehmedien im Blick. Tageszeitungen, Trivialmagazine, Romane und Fachbücher werden in großer Vielfalt produziert. Kassetten und Musik-CD's nehmen an Zahl ebenso schnell zu, wie neue Musik-Bands bei den Hörern ankommen. Und mit der Programmvielfalt des Fernsehens nimmt die verwirrende Fülle an Kommentaren und Naturfilmen sowie an Infotainment und 'Trash' ständig zu.

Erst in einem zweiten Schritt werden die digitalen Medien (Neue Medien) bewusster wahrgenommen. Denn in den letzten zehn Jahren ist nicht nur in Betrieben und Schulen, sondern auch in Privathaushalten die Anzahl an Computersystemen erheblich gestiegen. Im gleichen Maße ist auch das Angebot an Software-Werkzeugen, multimedialen Nachschlagewerken, hypermedialen Lernumgebungen sowie an Edutainment und Computerspielen gewachsen. Multimedia und Internet sind in vieler Munde.

 

     
Bei einem dritten Hinsehen wird dann auch die Vielfalt an digitalen Prozesssteuerungen wahrgenommen. Sie 'steckt' in allen großen wie kleinen Haushaltsgeräten und erst recht in komplexen Handhabungs-Automaten und Industrie-Robotersystemen. Technisch 'neuronale' Systeme (Parallelrechner) fokussieren Camcorder bei der Bildaufnahme und 'steuern' selbsttätig Eisenbahnen und Flugzeuge. Die 'Artenvielfalt' an Programmen für Dienstleistungs-Roboter und Software-Systemen nimmt nicht nur in der Medizin und Verwaltung, sondern auch im Freizeitbereich zu. Hier dehnt sich der Cyberspace merklich aus.  
     
     
Die kulturelle Evolution einer informationellen Umwelt  

Die Informations- und Kommunikationstechnologien mit ihren digitalen Medien prägen und strukturieren nachhaltig menschliche Wahrnehmungen, Erfahrungen und Handlungen und beeinflussen gesellschaftliche Entwickungen so wie persönliche Lebensgestaltungen und Wirklichkeitskonstruktionen. Die informationelle Umwelt der Menschen erweitert sich und beeinflusst wechselwirkend sowohl die natürliche als auch die gesellschaftliche Umwelt.

     
Insbesondere die Entwicklung der digitalen Medien ist ein Geschehen, welches sich ständig beschleunigt und in immer kürzeren Zeitabständen immer wieder neue 'Arten' entstehen lässt.  
     
   

Produzenten und Autoren, Buch- und Zeitschriftenverlage, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Film- und Animationsindustrie, Software- und Medienhäuser sowie Netzanbieter und -betreiber greifen - unterstützt durch die 'globale' Wirtschaftspolitik - gezielt in diese Entwicklungsprozesse ein und erhöhen bei immer mehr Nutzern die Akzeptanz für den Kauf von informationellen Gütern.

Die 'Landschaft' Neuer Technologien mit ihren Neuen Medien hat sich bereits in den letzten Jahren stark verändert. Die Audio-CD hat die Schallplatte fast völlig abgelöst. In den Haushalten stehen per Kabel inzwischen Dutzende von Programmen zur Verfügung. Mit dem 'Multimedia-Computer' beschaffen sich Jugendliche schneller ihre aktuellen Informationen, als die klassischen Massenmedien sie anbieten können. ISDN, CD-ROM, Browser und Hypertext sind zumindest den Jugendlichen nicht mehr fremd. Diese Dinge sind ihnen bekannter als der Unterschied von Esche und Eberesche. Blickt man nur einmal kurz zurück, so wuchsen Kinder vor vier Jahrzehnten noch ohne Fernsehen, vor drei Jahrzehnten noch ohne Video, vor zwei Jahrzehnten noch ohne Computer und vor einem Jahrzehnt noch ohne Internet auf. Sogenannte 'alte' und die Neuen Medien wachsen durch Digitalisierung ineinander zu Bildschirmmedien.

Die Perfektionierung und Verkleinerung von Endgeräten, die Steigerung von Speicherkapazitäten und von Verarbeitungsgeschwindigkeiten, die Weiterentwicklung und Globalisierung von Netzdiensten sowie die Entwicklung von neuronalen Systemen werden als neue Basisinnovationen begriffen, deren volks- und weltwirtschaftliche Bedeutung den großen Innovationen des letzten Jahrhunderts gleichkommen soll. Ihnen wird die Kraft für eine neue langfristige wirtschaftliche Entwicklung zugeschrieben, und damit verbunden neue Beschäftigungschancen wie Möglichkeiten des Erhalts von Wohlstand, trotz Wegschrumpfens der alten Industriestrukturen.

Aber diese Entwicklungen sind kein sich selbst organisierender Prozess, vergleichbar dem der biologischen Evolution der Arten. Obwohl es im Kontext einer neuen Medienphilosophie auch heißt, dass eine planende Vernunft nicht mehr der evolutiven Medien-Wirklichkeit entspricht ... (und) ...der Mensch nur als gleichberechtigter Dialogpartner in Synergie zur Maschine überlebt (Bolz, 1994). Die Bildungskommission NRW formuliert: "Die Gesellschaft der Zukunft wird nicht das Resultat der Eigendynamik von Entwicklungen sein, sondern vor allem von politischen Entscheidungen abhängen, die zwischen verschiedenen Möglichkeiten eine Wahl getroffen haben" (Bildungskommission NRW, 1995, S 23). In dieser Aussage steckt die Hoffnung, dass die Welt durch Bildung im 'Haus des Lernens' verändert werden kann.

     
Neue Chancen, neue Risiken und neue Verantwortungen  

Not-wendig - im ursprünglichen Wortsinn von Not abwendend - muss aus anthropologischen Gründen die Qualität des Lernens gesteigert werden, denn die Lebenswirklichkeit heutiger Kinder, Jugendlicher und Erwachsener wird in allen ihren Dimensionen zunehmend rascher komplexer und ethisch orientierungsloser. Eine Erweiterung der Ziele und Inhalte und ein Paradigmenwechsel des Lernens im 'Haus des Lernens' können mit dazu beitragen, dass die Lern-Qualität steigt. Aber:

     
   

Einerseits erzeugen Hypertexte und Multimedien zusammenwirkend eine neue Qualität (einen Mehrwert) für Informations- oder Wissensdarstellungen zur wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, bildenden und unterhaltenden Nutzung. Andererseits sind aber die in die komplexen Hypertexte (Verlinkungen) 'hineingedachten' Bedeutungen, zwar nicht direkt wahrnehmbar, aber doch wirksam. So gesehen enthalten Hypermedien - gerade wegen dieses Hypertextes - verstärkt auch die Möglichkeit zur Manipulation. Und über das Internet wird sie weltweit möglich.

Einerseits ermöglicht die Telekommunikation eine internationale und interkulturelle Kommunikation: 'Verständigung und Synergie weltweit' werden möglich.. Andererseits können aber auch über kulturell gebundene Sprach-Codes gefährliche Missverständnisse und Ausgrenzung entstehen so wie Klischees und Vorurteile verstärkt werden.

Einerseits ist der weltweite Zugriff auf gepflegte Datenbanken - angesichts der Halbwertzeit des 'Wissens' - ein gewaltiger Fortschritt für Wissenschaft und Bildung. Hinzu kommt, dass auf vielen Forschungsgebieten Beobachtungen, Experimente und Messungen in globalen Forschungsnetzen stattfinden können. Andererseits sind mittels Telekommunikation unmittelbar nebeneinander wissenschaftliche Analysen, Klatsch und Beleidigungen sowie gewaltverherrlichende Darstellungen auf Abruf verfügbar. "Das Internet ist eine Wüste, die alle euphorischen Hoffnungen radikal enttäuschen wird und in der sich ungezogene Cyber-Rüpel und Hohlköpfe herumtreiben" (Stoll, 1996).

Die 'Dampfmaschine' erzwang, dass die arbeitenden Menschen in großer Zahl räumlich und zeitlich zusammenzubringen waren. Nunmehr erlauben Multimedia und Telekommunikation einerseits eine räumliche und zeitliche Entkopplung sowie neue nachindustrielle Arbeitsformen, die folgende Charakteristiken aufweisen: die selbständige Arbeit wird dominant, Arbeitsort, Arbeitszeit und Leistungsdichte werden individuell festgelegt, die Erwerbsarbeit wird überwiegend aufgabenbezogen in befristeten Phasen geleistet und Arbeiten und Lernen werden immer wieder abwechseln, wenn sie sich nicht sogar integrieren lassen (Dostal, 1996). Andererseits prognostiziert die 'Machtelite' der Welt ".. Nur mehr ein Fünftel aller Arbeitskräfte werde in Zukunft benötigt. Der überwältigende Rest ... müsse mit tittytainment (Mischung aus Entertainment und Ernährung am Busen) bei Laune gehalten werden ..." (Martin und Schuman, 1997, S12f).

     
 

Einerseits werden die Neuronalen Systeme (u.a. in Dienstleistungsrobotern) in Verbindung mit biologisch neuronalen Systemen immer perfekter (u.a. Moravec, 1996): Chirurgenhände zittern mitunter, Dr. 'Robot' mit seinen elektronisch geführten Greifarmen nie. Und digitale Neuroprothesen verhelfen den Menschen zu einem immer 'klügeren' Leben. Andererseits erscheint aber die gesamte kulturelle Evolution immer mehr als bloße Informationsakkumulation und der Einbau von digitalen Prothesen beim Menschen wirft eine Fülle von Fragen zum Selbstkonzept und zur Würde des Menschen auf.

Diese wenigen Akzente sollen Chancen wie Gefahren verdeutlichen und gleichzeitig bewusst zu machen, dass wir Menschen eine Fülle von ethischen Fragen zu klären haben. Und da die Neuen Technologien mit ihren Neuen Medien gestaltbar sind, können sie auch so produziert und genutzt werden, dass ihre kulturelle Evolution human-, sozial-, generationen-, ökologie- und internationalverträglich verläuft. Das heißt aber, dass neue Verantwortungen sowohl auf der Ebene der Macher als auch auf der Ebene der Nutzer angenommen werden müssen. Es heißt aber auch, dass das Bildungssystem diese Herausforderungen aufgreifen muss.

     
Literaturhinweise zur Vertiefung  

Bildungskommission NRW: Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft, Luchterhand 1995
Bolz, Norbert: das kontrollierte Chaos, Vom Humanismus zur Medienwirklichkeit, Econ, Düsseldorf 1994
Computer und Unterricht, Heft 23 "Verändertes Lernen", Friedrich Verlag, Velber 1996
Computer und Unterricht, Heft 29 "Erweiterte Kulturtechnik: Schreiben", Friedrich Verlag, Velber 1997
Computer und Unterricht, Heft 35 "Erweiterte Kulturtechnik Informieren", Friedrich Verlag, Velber 1999
Dostal, Werner in: Das Parlament, August 1996
Martin, Hans-Peter; Schuman, Harald: Die Globalisierungsfalle, Rowohlt, Hamburg 1997
Stoll, Clifford: Die Wüste Internet, 1996

           

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000